19.08.2022

In „Bremopolis“ haben rund 100 Kinder ihre eigene Stadt gestaltet

Die vierte Auflage unserer Kinderstadt in Bremen-Walle endete am Freitag

Noch sind beide Schalter geschlossen. Die Schlange vor der Bank wird länger und länger. Unruhe macht sich breit. „Her mit der Kohle“, schreit ein Kunde wild gestikulierend. „Wann können wir endlich Geld abheben?“, ruft ein anderer. Die Bankangestellten versuchen, die angespannte Menge zu beruhigen. Das Leben in ihrer Stadt haben die rund 100 Bürgerinnen und Bürger sehr ernst genommen. So sollte es auch sein. Denn sie, die Sechs- bis Zwölfjährigen, hatten in „Bremopolis“ eine Woche lang (15. bis 19. August) das Sagen. Am Freitag ist die vierte Auflage der Kinderstadt auf dem Gelände des TV Bremen-Walle 1875 e.V. zu Ende gegangen.

Hinter „Bremopolis“ steht ein Netzwerk aus verschiedenen Partnern der freien Wirtschaft, Kinder- und Jugendhilfe, Sozial- und Jugendverbände sowie vielen anderen unter der Trägerschaft der Bremer Sportjugend. Ziel des Projekts ist es, den Kindern Berufsbilder und demokratische Umgangsformen zu vermitteln. Mitgestalten, mitbestimmen, mit Verantwortung umgehen: Darum geht es in der Kinderstadt.

Das Organisationsteam um Annika Zarrath, Vorstandsmitglied der Bremer Sportjugend, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ablauf der Sommerferienbetreuung am Panzenberg. Ihr Fazit: „Die Kinderstadt war ein voller Erfolg. Das Feedback ist durchweg positiv.“

Im Vorfeld konnten die Kinder zwischen diversen Berufen wählen. Zur Auswahl standen Bank, Kreativwerkstatt, Krankenkasse, Einzelhandel, Kinderrechtebüro, Umwelt, Feuerwehr, Theater oder Post. Einzige Bedingung: Die jungen Bürgerinnen und Bürger durften keinen Beruf zweimal ausüben. Nur die Regierung, die am Dienstag demokratisch und natürlich von den Kindern gewählt wurde, und die Presse blieben für die ganze Woche.

Dosentelefone zum Kauf

Für ihre Arbeit bekamen die Kinder einen Lohn. Ausgezahlt wurde dieser in „Galionen“. Den Namen hatten die jungen Teilnehmenden in Anlehnung an die Währung aus der Zauberwelt von Harry Potter ausgewählt. Von ihrem Geld konnten die Kids zum Beispiel Getränke und Essen oder Waren wie selbstbemaltes Porzellan, Dosentelefone oder Briefmarken kaufen.

Mit dem Tageslohn von 20 „Galionen“ waren nicht alle Bürgerinnen und Bürger einverstanden. „Damit kommt man nicht weit“, bemängelte Jovis, nachdem er sein Geld von der Bank abgehoben hatte. Gerechtfertigt seien 35 „Galionen“ pro Tag. Sein Blick wanderte rüber zum Minimarkt. „Schon alleine für eine Apfelschorle musst du dort vier Galionen hinblättern.“ Der Elfjährige feierte in diesem Jahr seine Premiere in „Bremopolis“. Besonders „cool“ fand er die Station bei der Feuerwehr. Simulierte Brandbekämpfung stand dort unter anderem auf dem Programm. Mit dem Wasserstrahl eines Strahlrohrs sollten die Kids Pylonen umschießen. Eine spaßige und erfrischende Angelegenheit, vor allem bei Temperaturen um 30 Grad. Auf die Frage, ob er später Feuerwehrmann werden möchte, antwortete Jovis prompt mit einem Lachen: „Nee, nee, viel zu heiß.“ Wenn „Bremopolis“ im kommenden Jahr wieder seine Tore öffnet, wäre er gerne wieder mit dabei. „Man lernt hier einfach viele nette Leute kennen“, so Jovis.

Lob für die Regierung

Das sieht auch Nanella so. Sie gehörte zu den rund 25 Betreuerinnen und Betreuern der Kinderstadt. „Bremopolis“ sei ein „super Projekt“, betonte die 24-Jährige, die „Internationales Management“ an der Hochschule Bremen studiert. Ihr habe es im vergangenen Jahr so gut in der Kinderstadt gefallen, dass sie dieses Jahr unbedingt wieder mithelfen wollte. „Die Kinder können sich hier entfalten. Sie lernen, was Verantwortung bedeutet sowie eigene Regeln aufzustellen und einzuhalten. Das finde ich toll“, sagte Nanella. Besonders lobend erwähnte sie die Arbeit der Regierung, den Umweltschutz in der Kinderstadt zu stärken. Nanella: „Da sieht man, dass das Thema total in den Köpfen der Kinder steckt. Die leben das viel mehr als wir Erwachsene.“

So wie Merle, 10. Ihr sei der Umweltschutz wichtig. „Wenn wir später erwachsen sind, existiert die Welt vielleicht nicht mehr so, wie wir sie jetzt kennen,“ sagte sie.
Im Umweltbüro konnten die Kids ihre Ideen in die Tat umsetzen. Besonders angesagt war Upcycling, eine Form der Wiederverwertung, bei der Müll oder scheinbar unbrauchbare Dinge in etwas Neues verwandelt werden. Milchtüten wurden etwa zu verzierten Bechern, die als Stiftehalter dienten. Sogar eine Klima-Demo zog am Abschlusstag durch die Kinderstadt.

Nun kann Annika Zarrath aus dem Organisationsteam erstmal durchatmen. Die Woche sei „sehr schön, aber auch ganz schön stressig“ gewesen, sagte sie. Ohne die Hilfe ihres Teams sei ein Projekt wie die Kinderstadt unmöglich. „Viele Außenstehende wissen gar nicht, wie aufwendig eine solche Veranstaltung ist“, stellte das Vorstandsmitglied der Bremer Sportjugend klar. Für ihre Mühen bekommen die meisten Betreuerinnen und Betreuer laut Zarrath eine kleine Aufwandsentschädigung. Einige haben sich sogar Urlaub genommen, um mitzuhelfen. Zarrath: „Die machen das, weil es ihnen am Herzen liegt, was hier passiert.“





Der Spaß kommt in "Bremopolis" nicht zu kurz. Foto: Sven Peter